Trainingsfleißige VfL-Kapitänin und im Stader Angriff immer hart attackiert: Leistungsträgerin Jule Keck. (Foto: Berlin)
Trainingsfleißige VfL-Kapitänin und im Stader Angriff immer hart attackiert: Leistungsträgerin Jule Keck. (Foto: Berlin)

Ein Jahr voller lehrreicher Abenteuer

Die U 16-Basketballerinnen des VfL Stade sind nach konkurrenzlosen Jahren in der Bezirksliga auf eine sportliche Abenteuerreise gestartet. Die Erfahrungen in der Landesliga nach dem Aufstieg sollen sie stärker machen. Niederlagen sind dabei einkalkuliert.

Nach 40 Minuten steht auf der Anzeigetafel das Endergebnis. Der VfL Stade verliert gegen den BBC Osnabrück in der „Bockhorster Arena“, wie die Basketballer die kleine Schulsporthalle nennen, mit 38:76. VfL-Trainer Justin Moradi und Trainerin Carla Fromme rufen ihre Mädchen zusammen. Moradi lobt die zehn Spielerinnen. „Das war super“, sagt er. Der VfL habe den übermächtigen Gegner unter 80 Punkten gehalten. Immerhin gilt der BBC in Niedersachsen als eine der Topadressen im Frauenbasketball. Die Mannschaft, gegen die der VfL am Sonnabend verloren hat, war als U 14 einst Deutscher Meister. Die Osnabrücker Spielerinnen schweben in ganz anderen Sphären. Moradis Schützlinge haben viel gelernt.

Zunächst einmal lernten die Staderinnen, wie sie mit Niederlagen umgehen müssen. In der Bezirksliga agierten sie in der vergangenen Saison konkurrenzlos und warfen die Gegnerinnen in Grund und Boden. Das hätte immer so weitergehen können. Aber Moradi und der Verein sahen im Aufstieg eine logische Konsequenz, wenn die Spielerinnen sich weiterentwickeln sollen. Selbst der BBC Osnabrück benötigte einige Jahre der Akklimatisierung in der höchsten Spielklasse auf Landesebene.


Der VfL greift für die U 16-Mädchen tiefer in die Tasche

Der Aufstieg passt in die Philosophie des Stader Clubs. Die besagt nämlich nicht, dass auf allen Ebenen gespart werden muss, um der ersten Männermannschaft in der 1. Regionalliga ein schönes Leben zu ermöglichen. Der VfL greift für die U 16-Mädchen jetzt tiefer in die Tasche. Die Schiedsrichter allein kosten pro Spiel 150 Euro mehr, weil sie nicht mehr aus den beteiligten Vereinen gestellt werden. Die Fahrtkosten für die Reisen nach Osnabrück, Wolfenbüttel oder Braunschweig belasten ebenfalls den Etat. „Aber wir wollen das möglich machen“, sagt Vereinspräsident Carsten Brokelmann. Das mittelfristige Ziel des VfL Stade sieht vor, dass der Verein in allen Altersklassen zwei Mannschaften stellt. Eine soll breitensportlich ausgerichtet bleiben, eine verfolgt zielstrebig den Leistungssportgedanken. Bei den Jungen ist der Verein von der U 12 bis zur U 18 bereits entsprechend aufgestellt. Bei den Mädchen fehlen noch zwei Teams. Derzeit spielen 350 Mitglieder der Basketballsparte in 16 Mannschaften. 20 Trainerinnen und Trainer kümmern sich um die Teams.

Die Bockhorster Arena füllt sich am Sonnabend. Direkt nach dem Mittagessen pilgern die Zuschauer in die Halle. Am Eingang ist ein Tisch aufgebaut. Kaffee steht da, Kekse, Kuchen, Gummibärchen. Im Sparschwein klimpern die ersten Münzen für die Mannschaftskasse. Aus den Boxen wummern die Red Hot Chili Peppers. Die Mannschaften spulen ihr Aufwärmprogramm herunter, bevor Justin Moradi und Carla Fromme die Stader Mädchen zur finalen Ansprache in die Umkleidekabine zitieren.

„So Mädels, ich habe richtig Bock“, sagt Moradi. Der Coach schaut in leicht verschwitzte und angespannte Gesichter. Moradi preist die Gäste an, um von seinen Mädchen den Druck zu nehmen. „Die absolute Top-Leistungstruppe aus Osnabrück, die gegen uns nur verlieren kann.“ Er gibt die letzten taktischen Anweisungen, erklärt Laufwege und gibt Tipps zur Defensivarbeit. Moradi weiß, dass seine Mannschaft an diesem Tag verlieren wird. Aber er fordert „einen wachen Geist und Volldampf“. Geschenke wolle der VfL an Osnabrück nicht voller Ehrfurcht verteilen.


Viele kleine Teilerfolge

Der Qualitätsunterschied auf dem Feld wird sofort deutlich. Die Osnabrückerinnen agieren athletischer, ballsicherer, treffsicherer und gedankenschneller. Sie stellen die Passwege der Staderinnen geschickt zu und fangen viele Bälle ab. Das wundert aber keinen in der Halle. Der VfL Stade hingegen feiert die vielen kleinen Teilerfolge auf dem langen Weg zu einer konkurrenzfähigen Mannschaft in der Landesliga: die Punkte von der Freiwurflinie von Kapitänin Jule Keck zum 2:2 nach 80 Sekunden oder den schnellen Angriff der kleinen aber quirligen Jana Roth zum 5:12. Sie wird noch bedrängt beim Wurf und legt den fälligen Freiwurf danach auch noch butterweich in den Korb. Keck mit insgesamt 7 und Roth sogar mit 16 Zählern sind am Ende die erfolgreichsten Punktesammlerinnen beim VfL. Stade verliert das erste Viertel nur mit 11:18 und der Osnabrücker Trainer gibt sich gar nicht glücklich über den Spielverlauf. Das kommt schon einem Ritterschlag gleich.

Erfolgreichste Stader Werferin gegen Osnabrück: Jana Roth. (Foto: Berlin)
Erfolgreichste Stader Werferin gegen Osnabrück: Jana Roth. (Foto: Berlin)

Jule Keck und Jana Roth stechen aus einer funktionierenden Mannschaft heraus. Die Zuschauer applaudieren frenetisch, als Keck mit Ablauf der Angriffsuhr einen Dreier im Korb unterbringt und als Roth im zweiten Viertel mit den Osnabrückerinnen Katz und Maus spielt und zwei Schnellangriffe hintereinander erfolgreich abschließt. „Wir lernen in solchen Spielen mehr als in Spielen, die wir hoch gewinnen“, sagt Jule Keck. In den kommenden Monaten wolle die Mannschaft die vermeintlich übermächtige Konkurrenz immer mehr ärgern. Irgendwann werden die Qualitätsunterschiede immer kleiner. „Fehler können passieren“, sagt die 15-Jährige. Sie habe sich vor vier Jahren bewusst dafür entschieden, von der Leichtathletik zum Basketball zu wechseln. „Teamsport ist eher was für mich“, sagt sie. Und die Mannschaft hält zusammen. Sie verzeiht Fehler. Die Spielerinnen bauen sich gegenseitig auf. Das gefällt der ambitionierten Basketballerin.

Vier Spiele haben die Staderinnen jetzt hinter sich. Gegen einen der Titelanwärter, Wolfenbüttel, gab es zum Auftakt kräftig auf die Nase. Den Mitaufsteiger Weser Baskets hat der VfL bezwungen. In Braunschweig setzte es eine unglückliche Niederlage, gegen Osnabrück heißt es am Ende 38:76. Der VfL ist erstmal Vorletzter der Tabelle. Aber wenn der Plan aufgeht, kann Stade den Klassenerhalt schaffen. Und das Lernen von den großen Clubs kann in der nächsten Saison weitergehen.


Die Statistik

Spielverlauf aus Stader Sicht: 1. Viertel 11:18, Halbzeit 21:40, 3. Viertel 27:69, Endstand 38:76

VfL Stade: Viola Ehlbeck 2, Jule Keck 7/davon 1 Dreier, Vanessa Lange 4/1, Lotte Nachbar 4, Jana Roth 16, Anik Schägner 1, Selina Schmelzer 2, Annika Schuth, Johanna Thalinger, Jule Witt 2.

Zuschauer: 50

 

Nächstes Spiel: BG '89 Rotenburg/Scheeßel – VfL Stade (Sa, 03. November, 16:30 Uhr)

1. November 2018

Quelle: Stader Tageblatt

Autor: Daniel Berlin